Donnerstag, 28. Juli 2011

Tag 5: Gipfelsturm (5.137m)

Frühstück um halb 2
Um 1 Uhr morgens riss uns der Wecker aus dem ohnehin ungemütlichen Schlaf. Es war stockdunkel und eiskalt auf 4.200m. Während man in der Stadt immer noch ein Grundrauschen an Licht hat, war es dort oben auf dem Berg wirklich schwarz wie die Nacht.
Sich unter diesen Umständen aus einem engen 3-Mann-Zelt zu schälen, die Wanderausrüstung anzuziehen und dabei nicht von dem etwas höher gelegenen, ohnehin zu knappen Zeltplatz herunterzufallen, war schon eine Kunst. Natürlich hatte auch keiner von uns so richtig Hunger. Aber es ging nicht anders, wir mussten etwas Heißes trinken und etwas Nahrhaften zu uns nehmen. Zitternd und todmüde kauerten wir uns in das klitzekleine Kochzelt, tranken schwarzen Tee und aßen Teigblätter, die wir dick mit Nutella bestrichen hatten.
5. Tag: Gipfel-Etappe
Dann ging es um 01:41 Uhr los. Rucksäcke mit Kameraausrüstung, Wasser, Schokolade, Nüssen, Steigeisen und Pickel auf dem Rücken und die Lampe auf dem Kopf schlichen wir im Gänsemarsch den Berg hinauf. Der Weg war gefroren. Man sah - bis auf die 20 Zentimeter vor sich - rein gar nichts.
Zunächst ging es ca. 50 Meter hoch durch das Zeltlager und an den Zelten der anderen Gruppen vorbei. Dann liefen wir über ein Feld mit größeren Felsen. Und schließlich ging ein dünner Pfad immer steil bergauf. Zunächst ließ unser Führer die Langsamste, Fethiye, vorangehen. Sie machte das auch gut. Aber sie war nicht gut ausgerüstet. Denn sie hatte weder einen Wanderstock noch einen Rucksack, der das Gewicht auf den Hüften verteilt. So musste sie nach rund 1 Stunde aufgeben. Sie blieb zurück und stieg mit einem der Führer wieder ins 2.Camp ab.
Der Schatten des Ararat
Immer wieder mussten wir eine Pause machen. In dieser Höhe bekommt der Körper sehr wenig Sauerstoff. Es ist nicht so, dass man schwer atmen würde, sondern man ist einfach erschöpft. Schritt für Schritt ging es bergauf. Langsam bemerkten wir, dass die Sonne bald aufgehen würde. Natürlich wollten wir beim Sonnenaufgang auf dem Gipfel sein, aber es war klar, dass wir das nicht mehr schaffen würden. Außerdem hatten wir nach wie vor die Hoffnung, dass wir die Schneebereiche früh genug erreichen würden, damit wir keine Steigeisen benötigen würden. Also behielten wir ein gutes Tempo bei. Ich hatte die ganze Zeit Endomondo auf dem iPhone mitlaufen lassen. Nach 2:39 Stunden ging der Akku auf 4.738m Höhe leider zur Neige. Ich schaltete also das Gerät aus. Ungefähr in dieser Höhe kamen wir dann auch in den Schnee. Zum Glück war es noch so gefroren, dass wir die Steigeisen nicht benötigten.
Der Gipfel (5.137m) 
Während des Aufstiegs kamen wir natürlich nicht viel dazu, uns umzudrehen und den Ausblick zu genießen. Aber jetzt, wo es immer heller wurde, taten wir es dann doch ab und zu. So sahen wir zum ersten Mal um 5:20 Uhr auch den Schatten des Ararat auf den Hochebene. Ein unvergesslicher Anblick, der im Foto nur schlecht festgehalten werden kann.
Der Gipfel kam immer näher. Eine Gruppe, die bereits oben gewesen war, kam uns entgegen und wünschte uns viel Glück. Das letzte Stück war ein Traum aus Weiß. Und es war kalt, sehr kalt. Noch hatten wir Glück, dass wir in einer Art Windschatten liefen. Aber das sollte sich ändern.
Hari, Chris & Ahmet
Um 6:40 Uhr hatten wir dann den Gipfel auf 5.137m Höhe erreicht. Im Vergleich zu Nepal, beispielsweise dem Kala Patthar, ist der Ararat recht schlicht. Man kann zwar sehr weit sehen, aber es gibt halt keine anderen Berge in der Umgebung. Vom Kala Patthar konnte man dutzende Berge und vor allem den benachbarten, majestätischen Mount Everest und seinen Gletscher bewundern.  Auf dem Ararat sieht man "lediglich" die etwas tiefer gelegene zweite Spitze sowie den "Kleinen Ararat". Nach all den Strapazen machten wir uns aber solche Gedanken nicht. Wir genossen den weißen Schnee, die sanft herabfallenden Hänge, beglückwünschten uns und die Teilnehmer anderer Gruppen ... und froren. Angeblich sollen dort oben -10 Grad Celsius herrschen, aber durch den starken Wind, der über die Bergspitze fegte, waren es gefühlte -30 Grad.
Chris vor dem Abstieg
So machten wir in aller Eile Fotos, da uns ohne Handschuhe die Hände abzufrieren drohten. An der höchsten Stelle lag übrigens eine Art Gästebuch, in das sich einige unserer Gruppe eintrugen. Nach ca. 20 Minuten begannen wir dann wieder mit dem Abstieg. Denn wir wollten am gleichen Tag noch bis ins 2.000m tiefer gelegene Basislager absteigen.
Der Abstieg am Anfang im Schnee war eine pure Freude. Mit riesigen Sprüngen liefen wir den Berg hinab. Doch schon bald kamen wir an die Geröllgrenze und nun war nichts mehr festgefroren. Kleine Schmelzwasserbäche machten den Untergrund noch weicher. So war der Abstieg - jedenfalls für mich - sehr anstrengend. Einige kamen besser zurecht, andere noch schlechter, so dass die Gruppe immer weiter auseinandegezogen wurde. Harald war natürlich der Fiteste und ging voran. Ahmet und ich blieben zusammen weiter hinten. 
Ahmet
Ich muss mich an dieser Stelle bei Ahmet bedanken, denn ich hatte beim Abstieg deutlich Probleme. Zunächst wusste ich nicht genau, woran es lag. Später erkannte ich, dass ich dehydriert war und mein Blickfeld sehr eingeschränkt war. Normalerweise hat man beim Abstieg eine längere Strecke von 2-5 Metern im Blick und plant die nächsten 3-4 Schritte im voraus. Wenn man aber dehydriert ist, reduziert sich das auf den nächsten Schritt, so dass man schnell ins Stolpern gerät. Wasser hatte ich keins mehr, lediglich ein kleines Tetrapack mit einem Süßgetränk. Danach ging es mir aber auch deutlich besser. Bis ins 2. Camp schaffte ich es dann noch ohne fremde Hilfe aber mit der Wissen, dass Ahmet immer bei mir war.
Im 2. Camp hatten die Helfer - anders als uns zuvor gesagt - bereits alle Zelte abgebaut und verladen. In den Zelten waren aber noch persönliche Dinge gewesen, die wir in der morgendlichen Eile natürlich nicht weggepackt hatten. Die Helfer hatten alles in irgendwelche Taschen geworfen. Meine Stimmung, die wegen des problematischen Abstiegs eh nicht gut war, wurde dadurch nicht unbedingt besser.
Meine kaputten Füße
Im Camp machten wir ca. 30-40 Minuten Pause. Dann ging es weiter ins Basislager, wo wir übernachten wollten. Frisch gestärkt und "hydriert" wanderten wir also zum zweiten Mal diese Strecke hinunter. Und es kam so, wie es kommen musste: Ahmet suchte seine 2 tollen flachen, "heißen" Steine, die er am Tag zuvor gefunden und am Wegesrand versteckt hatte, um sie dann den ganzen Berg hinunterzuschleppen. Der eine Stein wog sicherlich 5-7 Kilo, der andere 15-17 Kilo. Er packte den kleinen Stein in den Rucksack und den großen in einen Sack, den er sich bei dem Koch geliehen hatte. Wohl gemerkt: Wir waren an dem Tag schon 1.000 Meter auf- und 1.000 Meter abgestiegen und hatten noch weitere 1.000 Meter vor uns. Nach einigen hundert Metern konnte ich es schließlich nicht mit ansehen und übernahm den kleineren der beiden Steine. Wenn einer schon verrückt ist, so etwas zu machen, dann ist es meine Pflicht, ihm dabei zu helfen.
Gegen Mittag erreichten wir todmüde das Basiscamp und wurden von den 3 Gruppenteilnehmern, die es nicht geschafft hatten, empfangen. Den Rest des Tages verbrachten wir mit Ausruhen, Essen und Packen. Am nächsten Tag sollte es wieder früh nach unten gehen, weil wir noch einige Besichtigungen vor uns hatten.